Sorry,
lange nichts gepostet. Dafür habe ich Israel mit dem
Zeichenstift u
n s i c h e r gemacht. U n s i c h e r hab ich mich allerdings
nirgendwo gefühlt, was manchen Europäer verwundern mag. Nicht
mal
in dem zwar multiethnischen aber vorwiegend
muslimisch-arabischen
Kiez in Jaffa, wo meine Tochter Sarah mit ihrer Familie neben
der
Moschee wohnt.
Oft
kommt der Imam sandalenbeschuht mit frommem Bart und wallender
Djalabiah seine züchtig Hijab-verhüllte Mutter besuchen, die im
Erdgeschoss unter meiner Familie wohnt. Wenn meine unreligiöse
Tochter ihre streng muslimischen Nachbarin im Treppenhaus
trifft,
begrüßen sich die beiden Frauen Bussi-Bussi-mässig mit
Wangenkuss
und ratschen freundlich ein wenig miteinander so wie überall auf
der Welt Nachbar(inne)n miteinander smalltalken. Kein Bisschen
beleidigt bin ich, weil mir die fromme Muslima nicht die Hand
reicht,
sondern entschuldigend lächelnd mit der mir verweigerten Hand
auf
ihren Hidschab zeigt (von den Kolonialbriten blöd als Hijab
transliteriert). Warum sollte ich ihr deswegen gram sein? Fromme
Jüdinnen schütteln Männern auch nicht die Hand. In meiner
Synagoge
in München begrüße ich die Damen mit Kopfnicken und überlasse es
ihnen, mir die Hand zu reichen oder auch nicht.
Schnell
habe ich mich daran gewöhnt, dass die Wohnungstür den ganzen Tag
offen steht und jede/r ein- und ausgehen kann. Dafür kann ich es
mir
im schattigen, offenen und luftig-kühlen Treppenhaus (draussen
immer
noch30 Grad) mit meinem Laptop gemütlich machen und arbeiten –
ja
und natürlich mit den Nachbarn ratschen, was dazu gehört.
Anders
als
im europäischeren Nord-Tel-Aviv wird auch das Auto nicht
abgeschlossen – trotz Gepäck etc. „Wenn man Angst hat, passiert
genau das, wovor man Angst hat“, belehrt Sarah ihren Vater (der
offenbar schon viel zu lange in Europa gelebt hat). Schnell
gewöhne
ich mich an den melodischen Aufruf zum Gebet des elektronisch
superverstärkten Muezzins, der sich mit dem
bayrisch-anheimelnden
Klang der Kircheglocken mischt.
Außerhaus
habe
ich in meinem Stamm-Café im Kiez mein mobiles Atelier
aufgeschlagen, zeichne dort und schreibe, lese und denke nach.
Die
Wirtin (ich nenne sie jetzt mal Aisha - natürlich heißt sie
anders)
liest mir jeden Wunsch von den Augen ab, und die Tagesrechnung
ist
lächerlich klein, obwohl Tel Aviv als eine der weltteuersten
Städte
gilt. Am Freitag Nachmittag hilft ihr eine Freundin beim
wöchentlichen Großreinemachen. Die beiden Frauen plaudern in
einem
seltsamen Arabisch mit einander: Ihre Unterhaltung ist mit so
vielen
hebräischen Wörtern durchsetzt, dass ich fast alles verstehe. Es
ist die „Geheimsprache“ eines Liebespaars, stellt sich heraus.
Aisha, „schwarzes Schaf“ einer alteingesessenen, muslimischen
Jaffa'er Familie hat ihren Clan gut erzogen. Es muss ein hartes
Stück
Arbeit gewesen sein. Aisha's Mutter, die auch zum Helfen kommt,
küsst und umarmt die jüdische „Schwiegertochter“ liebevoll.
Natürlich will sie mir auch demonstrieren, dass Ronit, Spross
jüdischer Flüchtlinge aus dem Unabhängigkeitskrieg wirklich
„dazugehört“. Das Liebespaar wohnt zusammen im jüdischen
Rishon Lezion im Dunstkreis von Ronits Familie und feiert alle
jüdischen und muslimischen Feste „streng kulinarisch“. Wie
schön, dass man unter Autobomben, Messerattaken und
Militärwillkür
verborgen manches tröstlich Schöne finden kann, wenn man nur
danach
sucht, zum Beispiel in Jaffa der vier Jahrtausende alten
Schmelztiegel-Stadt der Andromeda, von der Jonah
(lutherverballhornt:
Jonas)einst aufgebrochen war zu seiner missglückten Flucht nach
Übersee.
Gershom
von Schwarze
5.11.2016 Die Skizzen: Lamy Schulfüller überlaviert und Aquarell
Was für eine Farbexplosion! Wunderschön! Sehr interessanter Bericht!
ReplyDeleteIch kann Jutta nur zustimmen. Der Reisebericht eines "Insiders" hat mir besonders gut gefallen, aber auch die Skizzen sind sehr schön und interessant.
ReplyDeleteDanke für die "Blumen", ich verspreche, ich werde mich bessern und häufiger meinen Korrespondentepflichten nachkommen. Ich hatte die Israel-Skizzen auch im dortigen USk-Blog posten wollen/sollen. Aber David Baron, mein dortiger Gewährsmann (ein alter Freund und Kollege aus der Zeit, als wir beide in Haifa am "Technion", der Technischen Uni unterrichteten), der mich bei den Israeli-USklern einführen wollte, skizzierte gerade in Italien. Es war die Zeit der mit kleinen Unterbrechungen einen Monat dauernden "Hohen Feiertage" (Neujahr, Versöhnungstag und das achttäguige Laubhüttenfest)da zieht es die Auslandsisraelis heim nach Israel zu Familie und Freunden und die im Lande Wohnenden hinaus in die weite Welt - zum Beispiel zum Skizzieren nach Italien... Nächstes Mal etcpp...haben wir wenigstens fest vor. Ich möchte gerne einen stetigen Austausch initiiren. In Israel gibt es einige super Zeichner/innen, die sich mit interessanter Thematik zeichnend auseinander setzen. Und nota bene: In Palästina ebenfalls. Einige davon waren meine Studenten gewesen.
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